Ob ChatGPT oder digitale Kunstgeneratoren - das Thema Künstliche Intelligenz (KI) ist in der gesamten Gesellschaft in aller Munde. Auch in der Energiewirtschaft spielt es in vielen Bereichen eine große Rolle – zum Beispiel beim Einsatz von Batteriespeichern. Doch was steckt wirklich dahinter und wo liegt der Mehrwert?
Das verrät Mandy Schipke, Gründerin und Geschäftsführerin der NOVUM engineering GmbH.
Künstliche Intelligenz ist in sämtlichen Branchen in aller Munde. Handelt es sich um einen Hype oder bringt KI beispielsweise in der Energiespeicherbranche tatsächlich Vorteile?
Sowohl als auch. Es kommt darauf an, wo und wie sie eingesetzt wird. Wenn alle historischen Daten eines Batteriespeichers vorliegen, können durch KI zum Beispiel die Funktionstüchtigkeit der Batterie bestimmt werden, Brände verhindert oder Prognosen über die Lebensdauer des Speichers unter verschiedensten Bedingungen angezeigt werden. Wenn aber etwas mit den Daten nicht stimmt oder nicht genug Informationen gesammelt wurden, ist der Einsatz von KI ziemlich riskant, denn was dann dabei herauskommt, ist Unfug. Noch schlimmer ist allerdings, dass man nicht weiß, dass es unbrauchbare Informationen sind, weil es sich um eine Art Blackbox handelt. Unternehmen, die mit künstlicher Intelligenz arbeiten brauchen auf jeden Fall sehr gute Strategien um mit solchen Datenproblemen umzugehen.
NOVUM ist ja bereits seit neun Jahren dabei, sich diesen Problemen und Herausforderungen zu stellen. Was ist Ihrer Meinung nach heute schon möglich und wohin wird die Reise gehen?
Wenn man korrekte Daten hat, oder weiß wie man mit einem Mangel an Daten richtig umgeht, lässt sich beispielsweise der Batteriestatus oder ein Sicherheitsproblem durch KI sehr viel besser bestimmen als ohne. Das ist dadurch begründet, dass künstliche Intelligenz im Gegensatz zum menschlichen Gehirn eine größere Kapazität hat, um alle Einflussfaktoren im Blick zu behalten. Bei der Vorhersage über die Lebensdauer einer Batterie ist das etwas anders. Zwar greifen wir hier auch auf KI zurück, allerdings fehlen uns momentan noch Daten über sehr alte Speicher. Diesen KI-Input wird die Zukunft bringen und damit auch verbesserte Ergebnisse in diesem Bereich liefern.
Sie haben sich in Ihrem Unternehmen auf die Fahnen geschrieben, Batterien effizienter, langlebiger, sicherer und nachhaltiger zu machen. In welchen Bereichen stoßen Sie dabei an Grenzen und welche Lösungen stehen hierfür bereit?
Die Herausforderung sind immer die Daten. Im optimalsten Fall verfügen wir über die „Live“ Daten der Batterien. Um ein Bild über den Zustand der Batterie zu vermitteln, müsste man sämtliche Fakten beispielsweise über die Spannung, Temperatur und den Strom während des gesamten Lebenszyklus des Speichers kennen. Durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz ermitteln wir anhand dieser enormen Rechenleistung den Status einer Batterie und können so Prognosen über deren Restkapazität abgeben. Bei Second Life-Batterien gestaltet sich die Überprüfung schwieriger, da hier die Datenhistorie fehlt. Mittlerweile haben wir dieses Problem lösen können. Durch eine spezielle Messmethode wird die Batterie für 90 Sekunden getestet und im Anschluss daran lassen wir eine künstliche Intelligenz mit diesen Daten arbeiten. Hier bewegen wir uns im Terabytes-Bereich.
Wie funktioniert diese Methode, in der ein kleines Zeitfenster von 90 Sekunden die gesamte Lebensdauer eines Datensatzes ersetzt?
Wenn man auf historische Daten einer Batterie zurückgreifen kann, wird ein Modell auf diese Art von Speicher trainiert. Es sammelt alle Faktoren rund um dieses Medium und zieht dadurch Rückschlüsse auf den inneren Zustand einer Batterie. Unsere Messmethode hingegen schaut ins Innere der Batterie, so dass nicht alle Faktoren um die Batterie herum berechnen werden müssen. Diese Methode nennt sich elektrochemische Impedanzspektroskopie.
Im Idealfall werden Batterien und Akkus recycelt. Welche Herausforderungen sind mit dem Wiederverwertungsprozess verbunden und wie kann künstliche Intelligenz hier sinnvoll eingesetzt werden?
Zum einen sollten nur Batterien recycelt werden, deren Lebensdauer wirklich abgelaufen ist. Momentan könnten fast 90 Prozent der wiederverwerteten Batterien problemlos bis zu 10 Jahren in anderen Bereichen weiter genutzt werden. Das ist eine immense Ressourcenverschwendung, weil es bisher keine Methode gab, mit der man die Batterien schnell und unkompliziert testen konnte. Der Standartprozess dauerte bisher zwischen 5 und 10 Stunden. Zum anderen kann mit Hilfe von KI der Anwendungsfall simuliert werden, in welchem Bereich die Batterie die längste Lebensdauer hätte. Und es wäre ebenfalls eine Kontrolle der Second Life-Batterie möglich, um keine bösen Überraschungen zu erleben. Die Herausforderung beim Recyceln besteht also darin, den größten Teil des Recyclings zu verhindern.
Sie haben sich für einen Batteriepass eingesetzt. Ist er trotz des 90-Sekunden Schnellchecks notwendig?
Die Idee dahinter ist, dass jede Batterie ein eigenes ID-Dokument besitzt, in dem wichtige Informationen zu finden sind. Beispielsweise über die Materialzusammensetzung oder den Gesundheitszustand, der für die Second Life Anwendung sehr wichtig ist. Leider werden wir sehr wahrscheinlich bis 2025 kein gemeinsames Verständnis darüber haben, wie dieser Batteriepass aussehen soll, noch gibt es keine einheitliche Definition dafür, wie diese Werte berechnet werden. Beides zu haben wäre sehr sinnvoll. Der Batteriepass gibt Aufschluss durch Daten und Zahlen, der Schnelltest gewährt einen Blick in das Innenleben und damit auch auf den Sicherheitszustand der Batterie.
Wie sehen die nächsten Innovationen Ihres Unternehmens aus und wohin wird sich Ihre Branche entwickeln?
Im Moment sind wir in der Lage, stationäre Batteriespeicher perfekt zu überwachen und Batterien dadurch nachhaltiger zu machen. In naher Zukunft werden wir eine vollautomatische Energie-und Handlungsentscheidung durch künstliche Intelligenz haben. Dabei entscheidet die KI, wie ein Batteriespeicher in Hinblick auf seine optimale Wirkung zwischen Ertrag, Batterielebensdauer und Sicherheit betrieben werden kann. Der Kompromiss zwischen diesen drei Faktoren bleibt bestehen. Batterien sollten auf eine viel nachhaltigere Weise genutzt werden. In einem zweiten oder dritten Leben in einem anderen Auto oder vielleicht in einem letzten Leben als stationärer Speicher. Das geht allerdings nur, wenn hochwertige Informationen über den Zustand einer Batterie vorliegen. Die KI von Novum unterstützt jeden dieser Schritte in dieser Kette.
Dieses Interview ist ein Auszug aus einer Folge des The smarter E Podcasts. Das vollständige Gespräch (auf Englisch) können Sie hier anhören.