Neue Batterietechnologien wurden oft als Ausgleich für die Preisvolatilität von Lithium gesehen. Die Bedenken hinsichtlich der Nachteile von Lithium – etwa die begrenzte weltweite Verfügbarkeit, umweltschädliche Abbaumethoden sowie Schwierigkeiten bei Entsorgung und Recycling – nehmen jedoch zu und fördern die Suche nach alternativen Lösungen.
Im Jahr 2018 erforschte Dr. Mylad Chamoun, Mitbegründer und CTO von Enerpoly, an der Universität Stockholm entscheidende Lösungen, um leistungsfähige Zink-Ionen-Batterien herzustellen. Gemeinsam mit Dr. Samer Nameer und Eloisa de Castro gründete er anschließend das schwedische Unternehmen Enerpoly. Enerpoly ist ein Deep-Tech-Unternehmen, das sich auf die Entwicklung patentierter Zink-Ionen-Batteriezellen und -packs für die stationäre Energiespeicherung spezialisiert hat. Im Vergleich zu Lithium-Eisen-Phosphat-Batterien (LFP) bietet die Technologie entscheidende Vorteile, wie geringere Zellkosten und 70 Prozent weniger CO₂-Emissionen.
Im Interview mit Dr. Mylad Chamoun erfahren wir mehr über die innovative Batterietechnologie und erhalten Einblicke in aktuelle Trends und Herausforderungen in der Energiespeicherbranche.
Eine Zink-Ionen-Batterie ist eine wiederaufladbare elektrochemische Batterie, das Zn²⁺-Ionen als Ladungsträger nutzt. Während des Lade- und Entladevorgangs bewegen sich diese Ionen zwischen den Elektroden und ermöglichen so eine effiziente Energiespeicherung. Die Batterie verfügt über eine Zinkanode, ein Wirtsmaterial an der Kathode sowie einen wasserbasierten Elektrolyten, der auf eine hohe Ionenleitfähigkeit und eine lange Lebensdauer der Batterie optimiert ist.
Einer unserer zentralen technologischen Schwerpunkte liegt auf der Unterdrückung der Bildung von Zinkdendriten und der Wasserstoffgasentwicklung, was die Sicherheit und Langlebigkeit der Batterie deutlich erhöht. Darüber hinaus verbessert unser patentiertes Kathodenmaterial die Gesamtleistung zusätzlich und macht die Technologie noch zuverlässiger und effizienter.
Wir haben uns für die Zink-Ionen-Technologie entschieden, weil sie es uns ermöglicht, auf die Lieferketten von AA- und AAA-Alkalibatterien zurückzugreifen, um wiederaufladbare Energiespeicherlösungen zu entwickeln. Alkalibatterien sind seit über 70 Jahren die dominierende Einwegbatterietechnologie, was uns eine solide Grundlage für Skalierbarkeit und Produktion bietet.
Ein weiterer entscheidender Faktor war die Möglichkeit, auf vorhandene und lokal verfügbare Materialien innerhalb Europas zurückzugreifen, um eine sichere und nachhaltige Lieferkette zu gewährleisten. Wir haben Zink und Mangandioxid als Hauptmaterialien gewählt, die ein vielversprechendes elektrochemisches Potenzial aufweisen, das den Anforderungen des stationären Energiespeichermarktes gerecht wird und eine wettbewerbsfähige Energiedichte sowie Lebensdauer bietet.
Für Projektentwickler und Anwender sind unsere Zink-Ionen-Batterien interessant, wenn sie eine nachhaltige und zuverlässige Energiespeicherlösung suchen. Unsere Technologie zielt auf wichtige Marktanforderungen wie Netzstabilisierung, Notstromversorgung und die Unterstützung kritischer Infrastrukturen.
Ein wesentlicher Vorteil der Zink-Ionen-Technologie ist ihre sichere chemische Zusammensetzung, die das Risiko von Bränden ausschließt. Dadurch entfallen komplexe Sicherheitssysteme, was die Produktions- und Installationskosten erheblich senkt. Die nicht brennbare und ungiftige Zusammensetzung macht diese Batterien auch besonders geeignet für den Einsatz in dicht besiedelten städtischen Gebieten, in wichtigen Infrastrukturen sowie in gefährlichen oder potenziell explosionsgefährdeten Bereichen, wo höchste Sicherheitsstandards gefordert sind.
Zink-Ionen-Batterien sind kosteneffizient und bieten von allen Batterietechnologien eine der niedrigsten „Levelized Costs of Storage“ (LCOS). Diese Kosteneffizienz eröffnet neue Anwendungsmöglichkeiten für die Energiespeicherung, die bisher nicht tragfähig waren. Unsere Batterien sind außerdem wartungsfrei, was logistische Herausforderungen und langfristige finanzielle Belastungen für Projektentwickler deutlich reduziert.
Ein weiterer bedeutender Vorteil ist die Möglichkeit einer unabhängigen, lokalen Produktion: Zink-Ionen-Batterien können weltweit mit bestehenden Lieferketten produziert werden, was die Energiesicherheit stärkt und Risiken durch geopolitische Handelskonflikte – etwa durch Importzölle – minimiert. Dadurch, dass wir eine verantwortungsvolle Beschaffung und Wiederverwertbarkeit priorisieren, entspricht unsere Zink-Ionen-Technologie den Nachhaltigkeitszielen und erfüllt die von den Endverbrauchern erwarteten Umweltstandards.
Derzeit prägen mehrere zentrale Trends die Energiespeicherlandschaft in Europa. Zunächst steigt die Nachfrage nach kostengünstigeren Energiespeicherlösungen, in Euro pro Kilowattstunde (€/kWh) gemessen. Diese sind entscheidend, um Speicherlösungen für mittlere bis lange Zeiträume zu ermöglichen – ein wichtiger Faktor für die Netzstabilisierung und die Integration erneuerbarer Energiequellen.
Die Möglichkeit zur lokalen Produktion wird zunehmend wichtiger: Europäische Länder setzen verstärkt darauf, eigene Lieferketten aufzubauen, um die Energiesicherheit zu stärken und die Abhängigkeit von Importen zu reduzieren. Dieser Trend wird sowohl durch geopolitische Überlegungen als auch durch das Streben nach größerer Kontrolle über kritische Materialien und Technologien vorangetrieben. Aus diesem Grund haben wir bei Enerpoly eine Megafactory in Stockholm aufgebaut, die vollständig durch eine europäische Lieferkette unterstützt wird. Bis 2026 streben wir an diesem Standort eine jährliche Produktionskapazität von 100 MWh an.
Zudem wächst das Interesse an alternativen Batterietechnologien, die auf reichlich vorhandene und leicht verfügbare Materialien setzen. Diese Alternativen bieten klare Vorteile für die Lieferkette, etwa geringere Preisschwankungen und eine verbesserte Nachhaltigkeit durch verantwortungsvollere Beschaffungspraktiken.
Das Thema Sicherheit rückt auch zunehmend in den Fokus. Entlang der gesamten Wertschöpfungskette im Energiespeicherbereich legen die Akteure mehr Wert darauf, Brandrisiken zu minimieren, wodurch zusätzliche sicherheitsrelevante Kosten bereits in der Planung und Umsetzung von Energiespeichersystemen berücksichtigt werden können.
Schließlich beeinflusst die weltweite Standardisierung großtechnischer Batteriespeichersysteme – zum Teil getrieben durch große asiatische Hersteller – auch die Projektentwicklung in Europa. Diese Standards bilden die Grundlage für Methoden im Zusammenhang mit dem Gesamtsystemdesign, der Systeminteroperabilität, der Integration und der Beschaffung.
Der Bedarf an Energiespeichern in Europa wird immer deutlicher. In letzter Zeit haben wir immer häufiger negative Energiepreise und eine zunehmende Marktvolatilität erlebt. Dieser Trend ist vor allem darauf zurückzuführen, dass der Ausbau erneuerbarer Energien schneller voranschreitet als die Einführung ausreichender Speicherkapazitäten, die notwendig sind, um Angebot und Nachfrage effektiv auszugleichen.
Das Wachstum und die Skalierbarkeit der Energiespeicher werden jedoch durch erhebliche Herausforderungen erschwert. Es besteht ein eindeutiger Bedarf an stärkerer politischer Unterstützung, um die entscheidende Rolle der Energiespeicherung für die Netzstabilität, die Integration erneuerbarer Energien und die Erreichung umfassender Dekarbonisierungsziele anzuerkennen und zu fördern. Das gilt sowohl auf EU- als auch auf nationaler Ebene in Schweden. Doch die Fortschritte verlaufen in diesem Bereich bislang eher schleppend. Es sind entschlossenere Maßnahmen erforderlich, um das volle Potenzial von Speichertechnologien zu erschließen.
Hinzu kommt, dass bestehende regulatorische Rahmenbedingungen häufig unklar sind, insbesondere in Bezug auf die Klassifizierung von Energiespeichern. In Kombination mit komplexen und langwierigen Genehmigungsverfahren entstehen dadurch erhebliche Hürden für den großflächigen Einsatz von Speichersystemen.
Auch aus wirtschaftlicher Sicht steht Europa vor Herausforderungen, wenn es darum geht, die heimische Batterieproduktion und den Einsatz von Energiespeichern zu steigern, da es keine nennenswerten Subventionen gibt und die Zahl der risikotoleranten Investoren begrenzt ist. Im Gegensatz dazu profitieren andere Regionen von stärkeren finanziellen Anreizen, einem aktiveren Investorensystem und umfangreicheren Kapitalressourcen. Infolgedessen haben europäische Projekte in den Bereichen Energiespeicherung und Batterieproduktion Schwierigkeiten, Investitionen anzuziehen und Zugang zu innovativen neuen Finanzierungsmodellen zu erhalten, was ihr Potenzial einschränkt.