„Einen Speicher in jede Wohnung bringen“

Start-up Interview – 08. August 2024

Früher gab es meist ein Handy zum Mobilfunkvertrag. Das Start-up Netzflex möchte es jedem Stromkunden ermöglichen, einen steuerbaren Speicher zum Stromvertrag ins Haus zu bekommen. So sollen möglichst viele Stromkunden von dynamischen Strompreisen und Netzentgelten profitieren. Das ist die Vision von Gründer Tobias Mader. Wie er das erreichen will, das Geschäftsmodell dahinter und was seine Oma mit damit zu tun hat, erklärt er im Gespräch.

Interview mit Tobias Mader, Geschäftsführer von Netzflex

Tobias Mader, Gründer von Netzflex, möchte dass auch Bewohner von Mehrfamilienhäusern von günstigen Stromtarifen profitieren können.

Herr Mader, seit wann gibt es Ihr Unternehmen Netzflex– und wie kamen Sie auf die Idee?

Die Netzflex GmbH wurde 2019 im oberbayerischen Altenstadt gegründet. Unsere Motivation war eine Lösung zu entwickeln, mit der alle Stromkunden an der Energiewende teilnehmen können. Die Idee kam mir nach einem Gespräch mit meiner Oma, die in einem Mehrfamilienhaus in der dritten Etage wohnt. Sie hat mir geklagt, dass ich zwar mit Windkraft- und Solaranlagen mein Geld verdiene, sie aber mehr für den Strom bezahlen muss. Das war ein wichtiger Punkt für meine Oma. Und recht hat sie: Tatsächlich ist es so, dass sich noch kein Unternehmen um die Bewohner von Mehrfamilienhäusern kümmert. Dagegen habe ich auf meinem Einfamilienhaus eine PV-Anlage, einen Speicher im Keller, eine Wärmepumpe und ein Elektroauto. Ich verbrauche nur noch 20 Prozent meines Strom aus dem Netz – und spare so viel Geld.

Sie erreichen eine Autarkiequote von 80 Prozent?

Richtig, aber es wird noch besser: Demnächst bin ich mit meinen steuerbaren Verbrauchseinrichtungen sogar regelbar für den Netzbetreiber. Dann profitiere ich auch noch von den Vergünstigungen des Paragraphen 14a EnWG. Ich bin also privilegiert und werde künftig noch bessergestellt. Die Energietechnik für Stromkunden wird genau auf mich zugeschnitten. Dafür kann ich mich nur bei der Politik bedanken. Meine Oma guckt dafür in die Röhre.

Sie ist eine von rund 29 Mio. Stromkunden in Deutschland, an die nicht gedacht wird. Das sind drei Viertel der insgesamt 40 Mio. privaten Stromanschlüssen. Sie hat noch nicht einmal einen Balkon für eine Mini-Solaranlage. Von steuerbaren Verbrauchern wie einer Wärmepumpe, einem Elektroauto oder einem Batteriespeicher ganz zu schweigen. Das fühlt sich nicht sozial gerecht an. Da dachten wir uns: Es muss doch anders gehen. Nur so erreichen und sichern wir eine breite Akzeptanz für die Energiewende – und ohne die wird es nicht gehen.

Die Steuerung der Last, also etwa durch Heimspeicher oder E-Auto, ist der USP ihres Startups. Wie funktioniert Ihr Geschäftsmodell genau?

Wir wollen einen Speicher in jede Wohnung bringen. Dieser ist dann für den Versorger steuerbar und kann an der Strombörse und im Stromnetz Geld verdienen. So könnten zukünftig alle Stromkunden von dynamischen Strompreisen und dynamischen Netzentgelten profitieren. Die Steuerung der Speicher erfolgt durch den Energieversorger über unsere Technik und das intelligente Messsystem. Die Smart Meter Infrastruktur und die Stromversorger stellen mit unserer Hilfe alles bereit, um die Speicher bei den Stromkunden zu steuern. Was bisher fehlte, war ein standardisierter Speicher, der durch einfaches Plug and Play an der Schuko-Steckdose installiert werden kann, sowie ein Steuerungs- und Kommunikationskanal vom Speicher zum Versorger. Und das ändern wir nun: Den Speicher sowie das Steuerungstool stellt Netzflex ab Januar 2025 zur Verfügung.

Für wen ist das Angebot gedacht, können auch Mehrfamilienhäuser davon profitieren?

Für alle Energieversorger, die Ihren Kunden günstigeren und grüneren Strom anbieten wollen. Wir haben mehr als 1.000 Stromversorger in Deutschland. Diese Versorger könnten Ihren Stromkunden unseren Speicher direkt mit dem Stromliefervertrag anbieten. Der Versorger stellt den Liefervertrag danach auf einen dynamischen Tarif um. Mit dazu geliefert wird unser steuerbarer Speicher. Das Versprechen an die Kunden ist, sie mit dem günstigsten und grünsten Strom aus dem Bilanzkreis des Versorgers zu beliefern. Unser Modell funktioniert also B2B2C. Das bedeutet: Der Versorger erhält von uns ein White-Label-Produkt mit Full Service. Wir übernehmen die Lieferung, den Kundenservice, die Steuerung, die Reparatur und, wenn gewollt, auch die Finanzierung der Speicher über ein entsprechendes Leasingangebot.

Der Stromkunde bekommt den Speicher also wie ein Add-on zum Stromliefervertrag, so wie beispielsweise früher das Handy zum Mobilfunkvertrag?

So ist es. Vorteil für den Stromversorger: Er verlängert so die Kundenbindungsfrist und erhält über die Flexibilisierung und Steuerbarkeit – wie das Dimmen nach §14aEnWG – seines Kunden, die Möglichkeit seinen Stromeinkauf zu optimieren und Netzentgeltreduzierungen zu erreichen. Wie viel von seinen Einsparungen er an seine Kunden weitergibt, bleibt ihm überlassen. Wir ermöglichen es dem Stromversorger, seinem Kunden ein zukunftsfähiges Stromprodukt zu liefern, welches die Position des Versorgers im Wettbewerb massiv verbessert. An Hardware braucht es von unserer Seite lediglich den Heimspeicher und ein intelligentes Messsystem.

Gibt es ähnliche Angebote in anderen EU-Ländern, die vielleicht mit der Digitalisierung schon weiter sind?

Das Unternehmen Tibber bietet einen steuerbaren Speicher in Nordeuropa an. Wir haben Tibber aber schon darüber informiert, dass ihr Angebot unsere Patentrechte verletzen könnte.

Was sind Ihre Ziele in den nächsten drei Jahren?

Wir wollen die 1. Version unseres Speichers im ersten Quartal 2025 ausliefern können. Bis dahin gilt es, die Produktion hochzufahren, das Logistikkonzept zu finalisieren und den Service zu besetzen. Es mangelt uns wirklich nicht an Arbeit: Wir müssen den Speicherschwarm standardisiert an die Bilanzkreise anbinden und das Leasingkonzept für die Energieversorger entwickeln. In den folgenden Jahren soll, wenn alles nach Plan läuft, die 2. Version des Speichers auf den Markt kommen. Wir brauchen zudem ein Update-System für die Reparatur der Speicher und müssen die Internationalisierung weiter anschieben. Es bleibt also spannend.

Das Interview führte Niels H. Petersen.

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