Bisher unterscheiden sich die Stromspeichermärkte in Europa von einem Staat zum anderen so stark, dass man kaum von einem europäischen Speichermarkt sprechen kann: unterschiedliche Marktdesigns, unterschiedliche Geschäftsmodelle, unterschiedliche Fördermaßnahmen. Das soll sich nach den Vorstellungen der EU mit der Reform des Electricity Market Designs (EMD) in den nächsten Jahren ändern.
So sollen bis Januar 2025 und dann alle zwei Jahre die Regulierungsbehörden der Mitgliedstaaten den Flexibilitätsbedarf im Stromsystem mit einem 5-Jahres-Horizont bewerten. Das Potenzial nicht-fossiler Energiespeicherung und Laststeuerung zur Deckung dieses Bedarfs ist dabei sowohl auf der Übertragungs- als auch auf der Verteilungsebene einzubeziehen.
Während also einerseits die nationalen Strommärkte in den nächsten Jahren ein einheitliches Design bekommen sollen, lohnt es sich andererseits, einen genaueren Blick auf die unterschiedlichen Marktsektoren zu werfen und zu analysieren, wie unterschiedlich sich diese Segmente entwickelt haben und auf mittlere Sicht weiter entwickeln werden.
Genau diesen Ansatz verfolgte Silvestros Vlachopoulos, Senior Analyst beim britischen Marktforschungsunternehmen LCP Delta in einem Webinar Anfang März. Sein Ausgangspunkt war der Rekordwert von 10,1 Gigawatt (GW) neu installierte Speicherkapazität in Europa im Jahr 2023.
Davon entfielen 2,8 GW auf "Front of the Meter" (FoM) Energiespeicherprojekte, die direkt am Versorgungsnetz – also vor dem Zähler – angeschlossen sind und Netzdienstleistungen erbringen. Im Gegensatz dazu steht "Behind the Meter" (BtM), also Energiespeicher, die auf der Verbraucherseite des Zählers installiert werden, um den Eigenverbrauch von Privathaushalten, Gewerbebetrieben und Industrie zu optimieren und damit die Netzunabhängigkeit zu erhöhen. In diesem Marktsegment wurden im vergangenen Jahr rund 7,3 GW neu installiert.
Großbritannien, Italien und der irische Großhandelsmarkt I-SEM, an den auch Nordirland angegliedert ist, waren 2023 die drei wichtigsten Märkte für Investitionen in FoM-Batteriespeicher in Europa, schreibt der Marktanalyst Aurora in seinem jüngsten European Battery Markets Attractiveness Report. Diese führenden Nationen zeichnen sich aus durch eine starke politische Unterstützung, solide Spreads, und Kapazitätsmarktvergütungen, die Investoren langfristig gesicherte Einnahmen bieten.
LPC Delta sagt in guter Übereinstimmung damit ein weiteres Wachstum des britischen Marktes für FoM-Projekte bis 2026 voraus und danach bis 2030 einen langsamen Rückgang auf ca. 2000 MW.
Italien sieht LPC Delta für die Jahre 2026 bis 2030 als kommenden sehr starken – wenn nicht gar den stärksten – europäischen Markt in diesem Segment. Wachstumstreiber ist der MACSE-Mechanismus zur Beschaffung von Speicherkapazitäten, der sowohl Kapital- als auch Betriebskosten abdecken soll und allein 9 GW generieren könnte. Der irische Markt wird zumindest bis 2029 weiter langsam, aber kontinuierlich wachsen.
Neue Marktchancen werden sich nach der Analyse von Aurora in Deutschland, Spanien und Griechenland ergeben, wo spezielle Auktionen für Batteriespeicher bisher mindestens 1,8 GW ermöglicht haben. Insgesamt können Auktionen bis 2030 europaweit über 15 GW beschaffen.
Da sich die Speicherdauer in den letzten Jahren auf 2 Stunden erhöht hat und erste Projekte mit 4 Stunden angekündigt sind, werden Projekte > 10 Megawatt (MW) ein immer breiteres Anwendungsfeld finden und so zusätzliches Marktvolumen für FoM-Speicher generieren. Zudem setzen sich Co-Location-Projekte, also die Kombination mehrerer Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energiequellen und Speicheranlagen hinter einem einzigen Netzanschlusspunkt, immer stärker durch.
Bei BtM-Speichersystemen sagt LPC Delta beim größten europäischen Markt, Deutschland, bis 2030 ein weiteres, allerdings gegenüber dem Rekordjahr 2023 verlangsamtes Wachstum voraus.
Der italienische BtM-Markt wuchs 2022 dank großzügiger Fördermaßnahmen deutlich und lag auch 2023 noch auf dem zweiten Platz. Aufgrund des langsam auslaufenden Superbonus wird der Residential-Markt aber bis 2026 als rückläufig eingestuft und sich bis 2030 auch nicht wieder erholen.
Deutliches Wachstum wird es dagegen auf dem niederländischen Markt geben – eingebettet in ein insgesamt starkes Wachstum in den übrigen europäischen Staaten.
Beide Markt-Segmente werden von weiter sinkenden Speicherpreisen profitieren. Steigende Mengen als Lithium auf dem Markt wie auch neue Speichertechnologien, die ohne Lithium auskommen, werden den Preisdruck zusätzlich reduzieren.
Weitere Staaten werden beim Zuwachs von FoM- und BtM-Speichern aufschließen, so dass LPC Delta insgesamt bis 2030 eine Versechsfachung der in Europa jährlich installierten Speicherkapazität voraussagt, Aurora Energy Research sogar eine Versiebenfachung.